Umwelt-, Natur- und Klimaschutz unter Druck: Unsere Lebensgrundlagen sind keine Nebensache!
Das zeigt sich nicht nur in trockenen Zahlen, sondern auch direkt vor unserer Haustür: Starkregen und großflächige Überschwemmungen wechseln sich ab mit Trockenzeiten, so wie heuer mit bereits im Frühjahr versiegenden Gewässern und sinkendem Grundwasserstand. Es wird immer deutlicher, dass auch Bayern am Beginn einer Wasserkrise steht. Die menschengemachte Klimakrise verschärft direkt den Rückgang der Biodiversität. Und beide miteinander verknüpften Krisen gehen nicht nur weiter, sie werden sogar beschleunigt. Es klingt dramatisch, ist aber Realität: Die Menschheit rast auf einen Abgrund zu und tritt weiterhin aufs Gaspedal.
Doch statt Klima-, Biodiversitäts- und Wasserkrise ernst zu nehmen, hat die bayerische Staatsregierung ihre gesetzlich verankerten Klimaziele gekippt. Trotz Milliardenschäden allein durch das verheerende Hochwasser im Juni 2024 hat das Kabinett zum Jahresende die Erreichung der Klimaneutralität im Freistaat von 2040 zunächst
auf 2045 verschoben – und diese zumindest fahrlässige Entscheidung auch noch verheimlicht. Sie gesteht damit ein, dass sie nicht bereit und in der Lage ist, wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz einzuleiten und umzusetzen. Stattdessen werden klammheimlich die Klimaziele aufgeweicht.
Zeitgleich hat die Staatsregierung die Zahlung der Landschaftspflegegelder eingefroren und damit viele Natur-und Artenschutzprojekte gefährdet. Darunter sind auch viele, die zum Ziel haben, Wasser in der Landschaft zu halten, die Speicherung von Treibhausgasen zu fördern und somit den multiplen Krisen entgegenzuwirken. Zwar
werden die Zahlungen nun (mit Einschränkungen) wieder aufgenommen, aber ihre Zukunft bleibt ungewiss. Aktuell bereitet die Staatsregierung – unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung – durch eine massive Einschränkung der Umweltverträglichkeitsprüfung den weiteren Ausbau von Skiliften und Schneekanonen vor.
Weitere natur- und klimaschädliche „Modernisierungen“ sind auf dem Weg oder bereits beschlossen. So wurden erfolgreiche Förderprogramme für Landwirte zur Anreicherung von Humus gestrichen. Das Signal dieser und anderer Maßnahmen ist deutlich: Beim Natur-, Umwelt- und Klimaschutz kann jederzeit zugunsten anderer Bereiche gespart werden, ihr Schutz wird als lästige Bürokratie diffamiert.
Auch auf europäischer Ebene sind Natur, Umwelt und Klima unter Druck: Zentrale Fortschritte der letzten Jahre unter dem European Green Deal werden seit der Europawahl 2024 geschwächt, Umweltstandards vermindert oder gleich ganz abgebaut. Auch auf der globalen Ebene wenden sich Staaten, Institutionen und Konzerne von früheren Bekenntnissen zu Umwelt-, Natur- und Klimaschutz ab – und verschärfen so die unübersehbaren Gefahren für Mensch, Tier und Pflanzenwelt. Selbst der Weltwirtschaftsrat bewertet seit einigen Jahren die Zerstörung von Natur und ihrer Ökosystemleistungen als eine der größten Gefährdungen für die Wirtschaft. Der Irrglaube einer erfolgreichen Wirtschaftsförderung gegen Natur und Klima zieht sich auch durch den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. Sie hat nicht nur den Kampf gegen Artensterben und Klimakrise faktisch zur Nebensache degradiert, sie will sogar zentrale – wenn auch unzureichende – Maßnahmen der Beschluss der Delegiertenversammlung Leitantrag letzten Bundesregierung in diesen Bereichen rückgängig machen. Formal bekennen sich CDU, CSU und SPD zwar zum Klimaschutz. Doch tatsächlich schwächen sie ihn, indem sie den Ankauf von CO₂-Zertifikaten in Ländern des globalen Südens zum Programm machen. Die neue Bundesregierung darf sich durch den Erwerb von CO 2- Zertifikaten nicht freikaufen! Sie muss selbst aktiv werden und endlich die Reduktion der Emissionen massiv vorantreiben. Zudem will sie durch Subventionen breit auf Kohlendioxidabscheidung und Lagerung (CCS) setzen, statt CO₂-Emissionen zu minimieren. Ebenso werden luftverkehrsspezifische Steuern und Abgaben reduziert. Um diesen Rückfall ins fossile Zeitalter zu verfestigen, will sie neue Gaskraftwerke bauen und sogar die Förderung von Erdgas u.a. am Ammersee forcieren. Die kostengünstigen erneuerbaren Alternativen werden so ausgebremst und die Klimakrise weiter beschleunigt.
Dazu wird mit der geplanten teilweisen Abschaffung des Gebäudeenergiegesetzes die gerade erst beginnende Wärmewende abgewürgt. Die zarten Ansätze einer Verkehrswende werden zum Teil unter neuen Autobahnbauten erstickt. Zwar sollen auch der ÖPNV und die Schieneninfrastruktur ausgebaut werden, doch steht insgesamt zu befürchten, dass die hohen Milliardensummen zu einem großen Teil im Asphalt weiterer Straßen und anderer natur- und klimaschädlicher Projekte versenkt werden. Offenbar spielt auch die Verschmutzung unserer Böden, der Luft und der Gewässer im Koalitionsvertrag keine Rolle.
Aber nicht nur Natur- und Klimaschutz kommen immer mehr unter Druck, sondern auch Verbände und andere Organisationen, die sich u.a. für diese Anliegen einsetzen. Zivilgesellschaft und Ehrenamt wurden in den letzten Monaten massiv diskreditiert, wahlweise als willenlose Instrumente der letzten Bundesregierung oder als demokratie- und staatsfeindlich beschimpft. Dabei sind es gerade sie, die nicht nur die Begriffe „Demokratie“ und „mündige Bürger*innen“ erst mit Leben füllen, sondern auch – weitgehend unentgeltlich – Gemeinschafts- und teilweise auch Staatspflichten übernehmen. Sie erinnern den Staat auch an seine ureigenen Aufgaben, wenn
er sie nicht wahrnimmt – etwa den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen oder der demokratischen Aspekte unserer Gesellschaftsordnung. Bei Diffamierungen bleibt es dabei nicht: Alle die neue Bundesregierung tragenden Parteien setzen auf Einschränkungen der Bürgerrechte, wollen das Verbandsklagerecht beschränken und verweigern eine inhaltliche Reform des völlig veralteten Gemeinnützigkeitsrechts.
Der BUND Naturschutz in Bayern e.V. sieht diese Entwicklungen sowohl bei der Sicherung unserer Lebensgrundlagen als auch beim Umgang mit der Zivilgesellschaft mit großer Sorge. Auch die enorme Polarisierung und das Schlechtreden der Klimaschutzmaßnahmen der letzten Bundesregierung erodieren das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie. Aber wir werden uns weder entmutigen noch einschüchtern lassen und uns weiterhin auf allen Ebenen für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen einsetzen. Denn sie sind keine Verhandlungsmasse, keine Bürokratie und keine Nebensache, sondern unverzichtbar und lebensnotwendig.
Der BUND Naturschutz in Bayern e.V. fordert die neue Bundesregierung auf, die Sicherung unserer Lebensgrundlagen endlich wieder positiv, Mut machend und als zentrale Grundlage auch für unser Wirtschaften zu definieren und anzugehen. Um Vertrauen zurückzugewinnen, muss klar kommuniziert werden, dass und welche Maßnahmen hier nötig sind und welche Chancen sie für Mensch, Natur und Wirtschaft darstellen.
Konkret fordern wir:
- die Mittel aus dem beschlossenen Sondervermögen nicht für einen weiteren Ausbau Klima und naturschädlicher Infrastruktur zu verwenden, sondern – wie bei der Grundgesetzänderung vorgesehen – ausschließlich für eine nachhaltige und klimaschonende Modernisierung des Landes
- die notwendige Wärme- und Verkehrswende voranzubringen
- die nationalen und internationalen Verpflichtungen der Bundesrepublik zum Klimaschutz ernst zu nehmen und durch eigene, tatsächliche Maßnahmen umzusetzen, insbesondere von der Verrechnung angekaufter CO₂-Zertifikate und der problematischen Alibi-Maßnahme CCS Abstand zu nehmen
- das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz (ANK) in enger Zusammenarbeit von Naturschutz, Landwirtschaft und Landbesitzer*innen zügig umzusetzen und die ausstehenden Förderrichtlinien für alle Lebensräume zu veröffentlichen
- die Biodiversitätsstrategie und das EU-Naturwiederherstellungsgesetz ambitioniert umzusetzen und das geplante Naturflächenbedarfsgesetz zur Beschleunigung von Renaturierung und „Grüner Infrastruktur“ auszugestalten
- sicherzustellen, dass Eingriffe in die Natur weiterhin primär vermieden und, wo unvermeidbar, sinnvoll ausgeglichen werden. Weitere Naturverluste, verursacht durch z.B. vorzeitigen Beginn von Maßnahmen und die Einschränkungen für die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), sind zu vermeiden
- beim Umgang mit Wasser die angekündigte Förderung der blau-grünen Infrastruktur, des
Wasserrückhaltes in der Fläche, der Grundwasser-Neubildung und von Hochwasserschutzmaßnahmen konsequent und vorrangig mit natürlichen Maßnahmen umzusetzen und auf die angekündigte Nutzung der letzten, geringen Potenziale der Wasserkraft zu verzichten - den Abbau bürokratischer Anforderungen nicht als Deckmantel für die Einschränkung von Informations-und Mitwirkungsrechten oder für das Schleifen ökologischer Standards und Untersuchungs- und Berichtspflichten zu missbrauchen
- das Bekenntnis zur Senkung des Primärrohstoffverbrauchs, zu Abfall-Vermeidung, Rezyklat-Einsatz und Shared Economy sowie die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie verbindlich umzusetzen
- neben dem angekündigten Vorgehen gegen die Meeresverschmutzung auch die nötigen Schritte gegen die Verschmutzung unserer Böden, der Luft und der Gewässer zu gehen, insbesondere das Verursacherprinzip anzuwenden, wie es in der Wasserstrategie zumindest angedeutet ist
- Zum Erhalt unserer Wälder eine im Koalitionsvertrag ausgesparte, überfällige Reform des Jagd- und des Waldgesetzes vorzunehmen
- das Bekenntnis zum Klimaschutz in der Landwirtschaft praktisch umzusetzen und eine effektive Reduzierung des Pestizideinsatzes zu fördern, statt ihre Zulassung zu vereinfachen
- sich für das Ziel, selbst bestimmte Verbraucher*innen umfassend und vorsorgend zu schützen weiterhin für Gentechnikfreiheit auch in Bezug auf die „neue Gentechnik“ einzusetzen.
- zum Schutz nicht nur des Klimas, sondern auch der Hauseigentümer*innen und Mieter*innen, einen praktikablen, aber zielführenden Ersatz für das Gebäudeenergiegesetz aufzulegen, falls es tatsächlich abgeschafft werden sollte.
- den angekündigten Ausbau von ÖPNV und Schieneninfrastruktur kraftvoll und insbesondere im ländlichen Raum voranzutreiben
- Das Deutschlandticket langfristig und erschwinglich zu sichern und ÖPNV in allen Bereichen sozialverträglich zu gestalten
- Planungen von Verkehrsprojekten, insbesondere von Bundesfernstraßen und Staatsstraßen aufgrund ihrer klima- und umweltschädlichen Auswirkungen, zu stoppen
- das Verbandsklagerecht als zentrales Element zivilgesellschaftlicher Beteiligung unangetastet zu lassen
- das Gemeinnützigkeitsrecht inhaltlich zu reformieren, insbesondere bei der Benennung der
gemeinnützigen Zwecke - zivilgesellschaftliches und ehrenamtliches Engagement nicht durch rechtliche, informationelle, finanzielle und andere Einschränkungen zu begrenzen, sondern – im Gegenteil – als Bestandteil einer lebendigen Demokratie zu fördern und in seinen Möglichkeiten auszubauen.
- alle klima- und umweltschädlichen Subventionen zu streichen
Der BUND Naturschutz in Bayern e.V. fordert die bayerische Staatsregierung auf
- die vom Bund im Rahmen der sogenannten Sondervermögen zur Verfügung gestellten Mittel für eine nachhaltige ökologische und klimafreundliche Entwicklung Bayerns zu verwenden
- die finanziellen Kürzungen und politischen Einschränkungen im Umwelt-, Natur- und Klimaschutz und in der Umweltbildung zurückzunehmen bzw. nicht umzusetzen
- im Doppelhaushalt 2026/27 keine Kürzungen beim Naturschutz (bspw. bei den LNPR-Mitteln) vorzunehmen und die Bedarfe bei Klima- und Naturschutz, Moorschutz, der Umsetzung des Artenschutzvolksbegehrens (konkret: Biotopverbund, Streuobst u.a.) und des Natur-Wiederherstellungs- Gesetzes, beim Landschaftswasserhaushalt und anderen drängenden Aufgaben anzuerkennen und mit den nötigen Finanzmitteln auszustatten
- zum erst vor zwei Jahren im bayerischen Klimaschutzgesetz festgeschriebenen Ziel der Klima-Neutralität bis 2040 zurückzukehren und Anreize und politische Rahmenbedingungen für ihr Erreichen zu setzen
- die Förderung von Erdgas und neue Bohrungen in Bayern, etwa im Gebiet zwischen Lech und Ammersee, nicht zu genehmigen und nicht auch noch durch den bundesweit einzigartigen Verzicht auf eine Förderabgabe indirekt zu subventionieren
- das bewährte Instrument des Bürger- bzw. Volksbegehrens in Zusammenarbeit mit Verbänden und Zivilgesellschaft als Bestandteil einer lebendigen Demokratie praktikabel weiterzuentwickeln und nicht einzuschränken.
- Die Umsetzung der WRRL - Maßnahmen und den Wasserrückhalt in der Fläche für einen zukunftsfähigen Wasserhaushalt voranzutreiben
Wir als BUND Naturschutz in Bayern e.V. werden
- weiter unsere Rechte nutzen und uns aktiv für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und der Demokratie einsetzen
- dazu wie bisher praktische Arbeit in unseren vielen großen und kleinen Projekten auf Landesebene sowie in unseren Kreis- und Ortsgruppen überall in Bayern leisten
- weiterhin unsere Zeit und unsere Mittel für das Gemeinwohl einsetzen
- verstärkt das Gespräch mit Vertreter*innen aller demokratischen Parteien, der Verwaltung und anderer Verbände und Organisationen suchen, um gemeinsam unsere Zukunft zu sichern
- noch mehr als bisher auch unsere Mitmenschen für die gemeinsame Anstrengung zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen zu gewinnen und zu begeistern versuchen.